Magic ist komplex. Es ist sogar das komplexeste Spiel, das es im Moment gibt. Das liegt zum Teil daran, dass die Spielmechanik es erlaubt, dass Spieler*innen im Zug der Gegner*in interagieren können. Zum anderen Teil gibt es seit 30 Jahren immer neue Ansätze, Mechaniken und auch Kartentypen, die das Spiel neu und frisch halten sollen. Das bedeutet für Formate wie Commander, dass man potentiell mit allem konfrontiert werden kann, was es bis jetzt in MtG gab. Doch habe ich manchmal das Gefühl, dass das Spiel “zu einfach” geworden ist. Es ist kein Puzzle mehr, dass gelöst werden will. Und was genau ich damit meine, werde ich hier ein bisschen weiter ausführen.

Vorwort

Es ist nur fair diesen Text mit einer kleinen Reflektion zu starten. Ich spiele schon seit vielen Jahren Magic und beschäftige mich seit nunmehr vier Jahren sehr intensiv mit Commander. In der Zeit der Pandemie, als dieser Blog gestartet wurde, war es fast alles, womit ich mich den lieben langen Tag beschäftigt habe. Ich kenne Staples und auch einige unbekannte Karten auswendig und kann am Artwork erkennen, um welche Karten es sich handelt. All das sind viele Worte um auszudrücken, dass ich kein Anfänger mehr bin und tiefer in diesem Hobby stecke als 90 % der meisten Spieler*innen.
Wenn ich sage, dass es keine Puzzle mehr gibt, dann darf man diesen Hintergrund nicht vergessen. Gerade, wenn ich mich über das Design von neuen Commander auslasse. Denn was für mich nach einem langweiligen und geradlinigen Design aussieht kann genau das sein, was eine neue Spieler*in dazu bringt, mit Commander anzufangen. Darin liegt ein Wert, der für das Spiel im Allgemeinen wesentlich höher ist, als ein Commander, der keine 500 Decks auf edhrec.com zusammen bekommt. Das ist mir bewusst und darum schreibe ich es hier, damit hier etwas Kontext geschaffen wird, auf den ich aufbaue. Also, zurück zum Thema: Es gibt keine Puzzle mehr in Commander.

Deckbau

Ein Bereich, in dem es für mein Gefühl immer einfacher wird, gute Ergebnisse zu erzielen, ist der Deckbau. Wie bereits gesagt, das ist nicht per se eine schlechte Sache. Doch kommt es immer häufiger vor, dass ich Commander sehr langweilig finde, weil ich “weiß”, wie das Deck aussehen wird. Das ist zum Teil meine Erfahrung mit dem Deckbau, zum Teil aber auch, weil es explizit auf den Karten steht.
Als Beispiel eignen sich Elenda and Azor sehr gut. Wenn man mit den beiden angreift, kann man drei Mana und X bezahlen, um Karten zu ziehen. Am Ende des Zugs kann man dann Leben bezahlen, um so viele Ritter zu bekommen, wie man Karten gezogen hat. Und damit man nicht zu schnell all sein Leben verliert, haben die Ritter Lifelink. Das bedeutet, wenn man Elenda and Azor im Spiel hat, muss man nichts mehr machen. Der Commander erledigt alles für einen. Da die Token sowohl Vampire als auf Ritter sind, kann man sich jetzt noch entscheiden, um welchen Tribe man das Deck lieber bauen will. Doch wenn diese Entscheidung erstmal gefallen ist, enden auch die Überraschungen.
Elenda and Azor sind natürlich auch ein Precon Commander. Also ein Commander, der speziell für neuere Spieler*innen designt wurde. Doch auch viele Commander aus dem Mainset fallen in diese Kategorie. Natürlich sind sie nicht ganz so geradlinig. Errant and Giada und Inga and Esika sind Commander, die ziemlich stark und sehr generisch sind. Errant and Giada kümmern sich um Flash oder Flying in den Farben, die den besten Support für diese beiden Keyword haben. Und Inga and Esika sind Ramp und Carddraw auf einer Karte, allerdings ist man hier auf Kreaturen beschränkt, die am besten drei oder mehr Mana kosten. Alles gut und witzig, aber beides nicht unbedingt innovativ.

Der Commander, der mich aus dem neuen Set am meisten interessiert, ist Hidetsugu and Kairi. Denn dieser Commander schöpft erst sein volles Potential aus, wenn er in den Friedhof wandert. Man muss also einen Weg finden, den Death-Trigger auszulösen, ohne das man das man seinen Commander immer wieder aus der Command Zone casten muss. Das ist in Blau und Schwarz jetzt kein riesiges Puzzle, denn die Antwort sind einfach Clones. Doch ein Deck um Instants und Sorceries zu bauen, die viel Mana kosten und klonen, war eine Herausforderung. Ich bin mir auch noch nicht sicher, ob ich sie erfolgreich gemeistert habe. Aber so ein Puzzle, dass mich ein bisschen beschäftigt und fordert, ist genau mein Ding.
Dazu kommt, dass die Staple Dichte in Commander in den letzten Jahren immer größer geworden ist. Trotz der vielen neuen Karten sieht man in vielen Decks doch immer alte Bekannte. Nature’s Lore und Three Visits sind in fast jedem Grün Deck, Counterspell oder Negate in Blau usw. Außerdem spielen alle Sol Ring und Arcane Signet, selbst in grün Decks. Ich verstehe, dass man beim Deckbau das Rad nicht immer wieder neu erfinden will. Doch das macht den Prozess und die Decks sehr homogen. Und das ist in meinen Augen sehr schade, weil der Pool an Möglichkeiten so groß ist.

Game Play

Wenn man Melissa Detora oder Gavin Verhey schon einmal in einem Interview gehört hat, dann weiß man, dass die beiden Magic vor allem wie ein Puzzle verstehen. Das war zu ihren aktiven Protour Zeiten wohl noch mehr so, als jetzt als Casual Spieler*innen. Denn in einem kompetitiven Setting hat man eine klare Aufgabe: Gewinnen und das um jeden Preis. Wenn es nur zwei Leute am Tisch gibt, gibt es keine Politik, sondern nur sauberes Gameplay oder eben Fehler. Und die werden sofort bestraft. Man hat eine Aufgabe oder eben ein Puzzle vor sich, das man mit den Karten auf der Hand und im Deck lösen muss. Das kann allerdings auch bedeuten, dass man seinen Gegner*innen Steine in den Weg legen darf. Und das die Gegner*innen dasselbe tun.

Die Tools, mit denen Professionelle Spieler*innen ihre Matches gewinnen werden von vielen Commander Spieler*innen als “unfspaßig” bezeichnet und kommen deshalb in Casual Kreisen so gut wie nie vor. Es ist sehr lange her, dass ich an einem meiner Tische einen Drannith Magistrate gesehen habe. Oder einen Blood Moon. Oder einen Winter Orb. Denn in Commander kann man vor dem Spiel besprechen, was man für ein Spiel spielen möchte. Das sorgt allerdings auch dafür, dass viele Leute sich dafür entscheiden, nicht gegen Stax oder Controll spielen zu wollen. Und auch das kann ich verstehen. Wenn ich mich langsam aufbauen kann und nicht mit meinem Board interagiert wird, ist das Spiel für mich auch angenehmer. Allerdings fühlen sich die Siege bei so einem Spiel auch nicht so verdient an.

Ich habe mittlerweile vor einer ganzen Weile mal bei Uno im Stream gespielt. Eines der Decks am Tisch war ein Go-Shintai of Life’s Origin Deck und ich habe mein The Raven Man Deck gespielt. Das Go-Shintai Deck hat neben den üblichen Shrines auch eine Menge Pillow Fort gespielt. Alles in der Form von Enchantments wie Sphere of Safety und Ghostly Prison, was es für meine Raben ziemlich schwierig gemacht hat, anzugreifen. Dazu kamen dann noch Shrines wie Sanctum of Stone Fangs, die den ganzen Tisch jede Runde für 7 oder mehr Lebenspunkte gedraint haben.

Alle Probleme, die wir auf dem Tisch hatten, waren Enchantment basiert und da lässt sich als Mono Schwarzes Deck immer recht wenig dagegen ausrichten. Ich hab also sehr lange beim Spielen zugeschaut, gecycelt und versucht, eine Antwort zu finden. Und ich bin auch fündig geworden. Am Ende habe ich das Spiel mit einer Combo aus Bone Miser, Faith of the Devoted und Skirge Familiar beenden können. Dieser Sieg hat sich sehr gut angefühlt, weil ich das Puzzle, die das Shrine Deck für mich hatte, lösen konnte. Die Antwort war in meinem Deck und ich musste sie nur finden.
Diese Art von Siegen ist vor allem deshalb so süß und bleibt so lange in Erinnerung, weil man im Spiel vor einer großen Herausforderung stand. Wenn man eine Spiel von Anfang bis Ende dominiert macht es deutlich weniger Spaß und ich tendiere dazu, diese Spiele sehr viel schneller zu vergessen. Darum habe ich auch nichts gegen ein bisschen Control oder Stax, wenn ich das richtige Deck spiele. Ich mag das Puzzle, vor dem ich stehe. Doch auch hier bin ich meist alleine auf weiter Flur.
Denn die meisten Karten, die so ein Spiel interessant machen, sind sehr weit oben auf den EDHREC Saltscores. Das bewirkt, dass viele Spieler*innen davor zurückschrecken, diese Karten in ihre Decks zu packen. Und das hat wiederum zur Folge, dass Commander häufig ein Rennen ist, in dem es vor allem um Geschwindigkeit geht. Kein Puzzle mehr, sondern einfach rennen. Das ist mal ganz schön, doch wenn man nur so spielt wird man MtG auch nicht gerecht. Denn es gibt diese Karten und sie stehen auf keiner Banned List. Sie komplett zu ignorieren, nimmt dem Spiel Facetten, die auch sehr spaßig sein können.

Fazit

Wie auch bei meinem letzten Text fällt es mir nicht ganz leicht, ein Fazit zu ziehen. Denn ich verstehe, warum Commander und Commander Design sich in diese Richtung entwickelt haben. Das Format wird immer größer und ist für viele Menschen der Einstieg für MtG. Das bringt riesige Herausforderungen mit sich. Menschen, die noch nicht mit allen Regeln von Magic vertraut sind, müssen all die Dinge im Blick behalten, die ein Vier-Spieler*innen-Spiel mit sich bringt. Außerdem sind Commander spiele ziemlich lang. Da ist es gut, wenn der Commander dafür sorgt, dass man nie mit leeren Händen dasitzt und nichts machen kann.
Doch bedeutet Design für neue Spieler*innen eben auch, dass die Veteran*innen neue Spielzeuge bekommen, die sie dann bis zur Unendlichkeit optimieren können. All die sehr starken Commander der letzten Jahre verdrängen nach und nach alle, die mit dem Power Level nicht mithalten können. Das sorgt dafür, dass das Format immer homogener wird und das finde ich persönlich sehr schade. Ich mag Nischen Commander und ich mag es, an einem Tisch zu sitzen, wo ich die Commander nicht kenne. Das ist ein Teil des Spaßes, den ich an Commander habe.
Vielleicht ist das ein Aufruf, Commander zu allem mehr als ein interaktives Puzzle zu begreifen. Das schöne an Commander ist ja, dass es ein Brettspiel oder eben ein Puzzle ist, bei dem jede Person ihr eigenes Teill mitbringt. Es geht darum, ein Teil zu bauen, dass sich sehr gut in das Bild fügt, das die anderen Decks am Tisch malen. Und das Puzzle lösen kann, das im Spiel auf einen zukommt. Mit dieser Art an das Spiel zu gehen ist es vielleicht auch etwas leichter, nicht frustriert zu sein, wenn man mal nicht weiter kommt. Und nicht zu versuchen, sein Umfeld ändern zu wollen, damit das eigene Teil passt. Irgendwo kommt die passende Lücke und dann wird sich alles fügen. Und es wird großartig sein.

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