Willkommen zu einer neuen Ausgabe von “Volrath oder Gerrard”. In dieser Serie schaue ich mir eine Geschichte aus der Community an und gebe mein Urteil dazu ab, ob die Personen die Bösen oder die Guten sind. Klingt einfach und ist es am Ende auch. Doch diese Serie funktioniert nur, wenn ich auch Geschichten aus der Community bekomme. Solltet ihr eine Geschichte haben, die ihr hier auf meinem Blog besprochen haben wollt, schickt mir am besten eine Mail an volrathodergerrard@gmail.com. Doch genug Housekeeping, die heutige Geschichte hat mich über Twitter erreicht und es geht um den Threat am Tisch.

Die Geschichte

Hallo Ove,

Ich spiele seit einiger Zeit mit drei guten Freunden Commander in einer festen Playgroup. Wir haben alles sehr unterschiedliche Spielweisen und das ist normalerweise auch gut so finde ich. Doch leider hat das zur Folge, dass ich mit einem Spieler immer wieder aneinander rassel.

Ich spiele sehr gerne schnelle, aggressive Decks, denen aber im Late Game die Puste ausgeht. Der Spieler, im Folgenden Igel genannt, ist das genaue Gegenteil davon. Seine Decks sind am Anfang recht langsam und er versucht, eine Value Engine aufzubauen, die im Mid- oder Late-Game nicht mehr zu stoppen ist. Unsere Spiele laufen in der Regel so, dass ich möglichst schnell versuche, einen oder alle Spieler rauszunehmen. Weil ich weiß, dass Igel am Ende des Spiels ein Problem für mich wird und im Early Game keine Verteidigung hat, gehen die ersten Attacken in seine Richtung.
Doch wenn ich ihn angreife, beginnt das politische Spiel. Er versucht die anderen beiden Spieler darauf einzuschwören, dass ich die Gefahr am Tisch bin und unbedingt beseitigt werden muss. Das ist etwas nervig, aber letzten Endes nicht falsch. Darum sage ich zu diesem Zeitpunkt auch noch nichts dagegen. Wie bereits gesagt, meine Decks sind am Anfang sehr schnell und gefährlich. Das ist einfach meine Art zu spielen.

Doch Igel hat erst genug, wenn ich nicht mehr im Spiel bin. Wenn ich nicht schnell genug war und mein Board gewipet wurde, ist das Spiel für mich in der Regel gelaufen. Wie bereits gesagt, je länger das Spiel geht, desto schwächer werden meine Decks. So ist es auch letzten Mittwoch passiert, als ich mein Fynn, the Fangbearer Deck gespielt habe. Das Deck ist voller ein Mana 1/1 Deathtoucher, die mit Fynn sehr schnell sehr gefährlich werden. Zug drei hatte Igel bereits 6 Giftmarken und seine Rufe nach Hilfe waren laut. Und sie fielen nicht auf taube Ohren. Einer meiner Freunde hat im Zug vier meinen Fynn removed und im Zug darauf wurde das Board gewiped.

Ich war also im Prinzip aus dem Spiel. Doch Igel hat meine beiden Freunde weiter darauf eingeschworen, dass ich der Threat am Tisch bin. Ich hatte drei Länder im Spiel und keine anderen Permanents. Dazu hatte ich nur noch drei Handkarten, von denen keine ein Land war. Ich hätte also nicht mal meinen Commander spielen können, wenn ich gewollt hätte. Igel hingegen hatte sechs Länder im Spiel, eine Rhystic Study und ein Arcane Signet. Dazu hat er jede Runde auf sieben Handkarten discarded. Ich habe also nicht gesehen, wie ich in dieser Situation der Threat sein sollte. 

Darum habe ich ebenfalls angefangen, die Politik-Trommel zu rühren. Ich habe meine Situation klar geschildert und Igel gefragt, ob er wirklich denkt, dass ich das Problem am Tisch bin. Seine Antwort war: “Ja, absolut.” Dann habe ich die Boards auf dem Tisch zusammengefasst und noch mal darauf hingewiesen, dass Igel jede Runde mindestens drei extra Karten gezogen hat, weil die anderen beiden sehr entspannt mit der Rhystic Study umgegangen sind. Igels Antwort war, dass er ja nach Removal oder einem Board Wipe suchen musste, damit er nicht gegen mein Infect Deck verliert.

Dieses Gespräch ging noch einige Zeit hin und her, mit dem Ergebnis, dass meine beiden anderen Freunde sich erstmal zurückgehalten haben. Das hat Igel ziemlich aufgeregt und er hat immer weiter betont, wie groß die Gefahr ist, die von mir ausgeht. Am Ende hat er gewonnen. Ich hab im achten Zug endlich mein viertes Land gezogen und konnte meinen Commander wieder ausspielen. Der ist von Igel direkt gecountert worden, weil er mich wieder zum Threat gemacht hätte. Ich habe daraufhin gescoopt und Igel hat im nächsten Zug mit einer Infinite Combo das Spiel beendet.

Ich weiß, dass Threat Assessment schwierig ist, aber mich nervt die Art und Weise, wie Igel damit umgeht. Genau das habe ich ihm auch schon häufig gesagt, doch er ändert nichts daran. Stattdessen versucht er nur noch stärker, meine Freunde auf seine Seite zu holen. Darum meine Frage: Bin ich der Volrath, weil ich von Igel erwarte, dass er zugibt, wenn er der Threat ist?

Beste Grüße,

XXX

Der erste Eindruck

Vielen Dank für die Geschichte. Auch wenn du exemplarisch eine Situation geschildert hast, scheint das ja bei euch ein grundlegendes Problem zu sein. Und grundlegende Probleme sind in der Regel etwas schwieriger zu lösen als Probleme aus spontanen Situationen. Besonders Threat Assessment ist ein schwieriges Feld an den meisten Commander Tischen. Ich habe schon sehr häufig gehört und gelesen, dass Menschen sich über das Threat Assessment ihrer Gruppe beschwert haben. Ich habe da auch einen Artikel zu geschrieben, den man hier noch mal nachlesen kann.

Doch das Erkennen des Threats scheint bei euch ja nicht mal das große Problem zu sein. Zumindest nicht initial. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es mehr darum, dass dir nicht gefällt, wie Igel versucht, von sich abzulenken. In der von dir beschriebenen Situation kann ich seine Perspektive sogar fast verstehen. Er hat in Zug drei Sechs Giftmarken, mit denen er nicht interagieren kann. Zwei weitere Kreaturen mit Deathtouch reichen, um ihn aus dem Spiel zu nehmen. Und diese Situation ändert sich das ganze Spiel über nicht.

Was sich aber verändert, ist der restliche Boardstate. Nach dem Board Wipe bist du erstmal aus dem Spiel und das sollte allen Menschen am Tisch klar sein. Mono Grün ist auch nicht unbedingt für Haste bekannt, was Igel in jedem Fall zwei Runden Zeit gibt, in denen er nach einer Antwort auf Fynn suchen kann. Es ist also nicht nötig, die beiden anderen Spieler am Tisch zu mobilisieren. Zumal er mit seiner Rhystic Study eine sehr starke Draw Engine auf dem Feld hat und damit auf jeden Fall für Fynn eine weitere Karte ziehen wird.

Hier sieht man einen der Nachteile, die eine feste Play Group haben kann, in Aktion. Ihr kennt euch alle schon länger und damit auch eure jeweiligen Vorlieben beim Deckbau. Wenn die Stile dabei so unterschiedlich sind wie bei euch beiden, dann begünstigt das natürlich, dass man sich auf eine Person “einschießt”. In meinen festen Gruppen kann ich auch besser einschätzen, wie gefährlich meine Gegner*innen für mich sind. Doch das verleitet natürlich dazu, in den Autopilot zu schalten. Dafür ist Commander einfach zu komplex und die Spiele zu unterschiedlich. 

Mein Fazit

In meinen Augen bist du nicht der Volrath, zumindest nicht, wenn du deinen Punkt freundlich und konstruktiv rüber gebracht hast. Denn du hast keine andere Chance, als die Dinge, die dich stören, anzusprechen. Wie schon so oft gesagt, Commander ist ein soziales Format und daher braucht es soziale Lösungen. Leider scheint Igel an dieser Lösung nicht interessiert zu sein, oder nicht zu verstehen, was das eigentliche Problem ist.
Ich bin mir auch nicht sicher, was man in deiner Situation machen kann. Was aber auch daran liegt, dass ich nicht weiß, wann du Igel darauf angesprochen hast. Es macht in meinen Augen einen Unterschied, ob du als Spieler im Spiel argumentierst oder als Igels Freund, der über einen Grundsatz in Spielphilosophie diskutieren möchte. Vielleicht hilft ein Gespräch unter vier Augen, abseits des Commander Tischs. Vielleicht ist Igel nicht bewusst, wie sehr dich sein Verhalten stört. Oder er hat noch einen anderen Punkt, der dafür sorgt, dass er sich so verhält.

Eine weitere Idee von mir ist, dass du ein Deck baust, dass sich außerhalb deiner Komfort-Zone bewegt. Also kein Aggro-Deck, sondern eher eine Value-Engine, die im Late-Game besser  aufgestellt ist. Denn ein großes Problem in eurem Konflikt scheint mir die Dynamik zu sein, die sich aus euren Decks ergibt. Wenn Igel am Anfang des Spiels keinen Grund hat, den Tisch gegen dich aufzubringen, dann klärt sich der Rest vielleicht von ganz allein. Oder er bleibt bei seiner bewährten Methode und macht sich so noch angreifbarer für Argumente. Wenn du keine Lust hast, Geld und Zeit in so ein Deck zu packen, ist es vielleicht auch eine Variante, eins von Igels Decks zu spielen.

Ich hoffe, dass ihr euren Konflikt gelöst bekommt und als Play Group daran wachst. Und wenn ihr, die Leser*innen, nun auch Lust bekommen habt, eure Geschichte zu erzählen, könnt ihr das gerne machen. Ich findet mich auf Twitter, Instagram oder schickt mir eine Mail an volrathodergerrard@gmail.com. Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal.

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