Was, ein neuer Artikel von mir? Wie konnte das denn passieren? Auch wenn die Zeit knapp war, die ich in letzter Zeit in mein Hobby investieren konnte, hat mich das doch nicht davon abgehalten, auf Twitter und in verschiedenen Discords aktiv zu sein. Und wer hätte das gedacht, es gab wieder einige Kontroversen, über die es sich zu schreiben gelohnt hätte. Doch waren das vor allem Strohfeuer und das eigentliche Thema hat sich ein wenig tiefer verborgen. Denn viele der Probleme, die die Commander Community hat, lassen sich darauf zurückführen, dass Erwartungen nicht erfüllt werden. Das klingt erstmal sehr banal, doch ich glaube, dass man damit ganz viel Salz erklären kann, dem wir immer wieder begegnen, wenn wir spielen.
Beschwerde Management 101
Wie die eine oder andere bereits mitbekommen hat, bin ich von Beruf F&B Manager. Wen interessiert, was genau das bedeutet, der kann das ja mal bei Google recherchieren. Was für jetzt relevant ist, ist dass ich in der Gastronomie arbeite und ein Teil meiner Aufgaben ist, sich mit Gäst*innenbeschwerden auseinanderzusetzen. Das ist manchmal ein wenig nervig, weil es sehr anstrengende Gäst*innen gibt, bei denen die Problematik ganz woanders liegt und wenig mit dem zu tun hat, was sie gerade kritisieren. Gleichzeitig ist es sehr spannend, weil man so viel über Menschen lernt.
Es gibt im Grunde zwei Arten von Beschwerden: Einmal haben wir als Team einen Fehler gemacht und das sorgt dafür, dass die Gäst*in unzufrieden ist. Doch dann gibt es auch Beschwerden, in denen die Erwartungen der Gäste*innen nicht erfüllt wurden. Das hat nicht mal unbedingt mit dem Produkt zu tun, was wir verkaufen. Es gab dann einfach eine Diskrepanz zwischen dem, was wir anbieten und dem, was die Gäst*in dachte, was sie bekommt. Das ist ein riesiges Problem, wenn es zum Beispiel um Cocktails geht.
Leider ist es im letzteren Fall nicht damit getan, dass man die Menschen belehrt, die braff danke sagen und dann ist alles für alle gut. Man muss ihnen sehr behutsam beibringen, dass die Erwartung, die sie gehabt haben, einfach nicht das ist, was wir ihnen angeboten haben. Wählt man da die falschen Worte, sind die Leute weiter sauer, die Situation eskaliert womöglich noch und man kann sich sicher sein, dass man diese Person nie wieder bei sich begrüßen darf. Und das gilt es zu vermeiden. Und das ist auch meine Aufgabe.
So, warum erzähle ich das eigentlich? Viele von euch waren bestimmt schon in einem Restaurant oder einer Bar, wo sie am Ende des Abends mit einem schlechten Gefühl nach Hause gegangen sind. Ich stelle jetzt die steile These auf, dass das Gefühl, mit dem man nach einigen Commander Abenden nach Hause gekommen ist, sehr ähnlich ist. Man konnte nicht wirklich was machen, die Decks haben nicht funktioniert und alles in allem war das Power Level viel zu hoch, als dass man hätte mithalten können. Auch das kenne ich leider aus persönlicher Erfahrung. Und das lag, zumindest in meinem Fall, eigentlich immer daran, dass zu hohe Erwartungen an den Abend hatte.
Soziale Antworten auf soziale Probleme
Magic ist kein soziales Spiel, zumindest nicht, wie es ursprünglich mal gedacht war. Man versucht schon beim Deckbau alle Schwächen auszumerzen und wenn die Gegner*in Land Drops verpasst ist das leider ihr Problem. Man spielt um zu gewinnen und das ist allen klar, die sich an den Tisch setzen. Doch wir spielen hier kein 1 vs 1 Magic.
Wir spielen dieses wunderbare Subformat von Magic, dass einige Commander und andere noch EDH nennen. In diesem Format geht es darum, dass man seine Kreativität ausleben kann und auch mal Karten spielt, die es außerhalb von Draft oder Sealed in kein Deck schaffen. Doch das wirf die gesamte Dynamik durcheinander. Man muss sich vorher unterhalten, wie das Spiel aussehen soll, das man spielen möchte. Noch bevor man seine ersten sieben Karten gezogen hat. Und es ist wichtig, hier keinen Fehler zu machen. Denn sonst ist man die nächsten zwei Stunden in einem Spiel gefangen.
Das ist natürlich so auch nicht richtig, aber ich überspitze das ganze etwas, damit auch alle verstehen, was ich sagen will. Außerdem ist es das, was neuen Spieler*innen von Anfang an zu hören bekommen. Man unterhält sich vor dem Spiel über das Powerlevel, sagt eben eine Zahl zwischen 5-8 und kommt dann mit den anderen Menschen auf einen Nenner. Das kann funktionieren, aber leider zeigt die Erfahrung, dass es das lange nicht immer tut. Und das liegt eben daran, dass Menschen sehr unterschiedliche Erwartungen hegen, wenn sie sich auf ein Spiel mit Powerlevel 7 Deck eingelassen haben.
“Ist alles eine Sieben?” heißt eine Folge von Shinys Command, die ich mit Patrick zusammen aufgenommen habe. Da haben wir versucht, die Stärken und Schwächen der Power Skalen, die es so im Internet zu finden gibt, zu analysieren. Doch je länger ich darüber nachgedacht habe, desto mehr ist mir eben klar geworden, dass das Powerlevel nicht der Punkt sein sollte, auf den man sich versteift. Man sollte vielmehr über die Erwartungen sprechen, die man an das jeweilige Spiel hat. Und vorher und wahrscheinlich noch viel wichtiger: Man sollte wissen, was man für Erwartungen an ein Spiel Commander hat.
Powerlevel, die Sprache von Commander
Warum reden alle Menschen über das Powerlevel ihrer Decks, bevor sie miteinander Commander spielen? Eigentlich sollte man meinen, dass das eine recht furchtlose Diskussion ist. Denn selbst ein sehr gut gebautes Deck kann mal nicht funktionieren. Das bringt einfach die Varianz einen 100 Karten Singleton Formats mit sich. Es gibt natürlich Zahlen und Fakten, über die man sich unterhalten kann: Was spielt man für Ramp, gibt es Fast Mana, Tutoren, Free Spells…? All das können Indikatoren dafür sein, wie schnell und wie konstant ein Deck funktioniert. Doch sie sind eben nur ein Teil der Wahrheit.
Um ein erfolgreiches Pre-Game Gespräch führen zu können, reicht das allerdings nicht immer aus. Man muss nämlich auch noch wissen, was man eigentlich will. Geht es darum, dass es sich vor allem um das Spiel dreht? Oder ist das Spiel mehr das Mittel zum Zweck, um zum Beispiel mal wieder einen lustigen Abend mit seinen Freund*innen zu verbringen? Redet man während des Spiels, unterstützt man die anderen Spieler*innen bei ihren Zügen, darf man auch mal Dinge zurücknehmen? All das sind Sachen, die man zwar nicht unbedingt vor dem Spiel besprochen haben muss. Aber die meisten Spieler*innen haben eine gewisse Erwartung, wie sie zu regeln sind. Und diese Erwartungen können von Tisch zu Tisch, von Gruppe zu Gruppe variieren.
Ich habe schon ein paar Mal erzählt, dass ich zwei Spielgruppen habe. Meine Erwartungen unterscheiden sich allerdings sehr, je nachdem, mit welcher Gruppe ich mich treffe. In der einen Gruppe sind die Spieler*innen etwas investierter in Magic. Sie verfolgen die Releases und nutzen alle Hilfsmittel, die das Internet so zu bieten hat. Die andere Gruppe steckt viel weniger tief in der ganzen MtG Materie. Die meisten haben eine Hand voll Decks, die sie ab und zu verändern. Das sind zumindest die Erwartungen, die ich habe, wenn ich mich mit diesen Gruppen treffe. Und je nach Gruppe suche ich meine Decks für den Abend aus.
Wir besprechen zwar noch immer die Powerlevel der Decks, vor allem, wenn wir mit neuen Decks spielen. Aber es gibt von allen Seiten durch Erfahrung gefestigte Erwartungen, die nur sehr selten enttäuscht werden. Daher sind die Gespräche vor dem Spiel ziemlich kurz. Sie funktionieren in der Regel so: “Ich spiele heute Vorinclex” “Ok, dann nehme ich mein Minn Deck” und so weiter. Das funktioniert, weil wir schon häufig miteinander gespielt haben und die meisten Situationen irgendwann einmal geklärt worden sind.
Doch es funktioniert weniger gut, wenn ich die Leute nicht kenne, mit denen ich mich an einen Tisch setze. Dann ist es sehr wichtig, dass man das ganze Gespräch von vorne startet und vorne ist in diesem Fall: Was sind die Erwartungen, die ihr an dieses Spiel habt. Und ich habe erst eine Person gesehen, die ganz konkret diese Frage gestellt hat, als ich mit ihr gespielt habe. Und zu dem Zeitpunkt hatte ich keine adäquate Antwort auf die Frage. Darum haben wir uns wieder in auf ein Powerlevel geeinigt, denn das ist eine Sprache, die viele Spieler*innen mittlerweile beherrschen.
Worauf will ich hinaus?
Es ist immer gut, wenn man bei so einem großen Thema wie Erwartungen weiß, wo man eigentlich hin möchte. Egal ob es dabei um diesen Text geht oder um ein Commander-Spiel. Und darum hier ein Ansatz, der mir das Leben in Commander auf jeden Fall leichter gemacht hat: Was erwarte ich, wenn ich mich mit 4 Leuten an den Tisch setzte, um Commander zu zocken? Das klingt nach einer sehr großen Frage, aber das muss sie gar nicht sein.
Für mich bedeutet es, dass ich mich an einen Tisch setze und ein interaktives, politisches Spiel mit drei Menschen spiele. Ich erwarte (meistens zumindest), dass mit meinem Board interagiert wird und dass Leute damit rechnen, dass ich auch mit ihren Boards interagiere. Ich erwarte, dass Menschen offen für Deals sind und dass ein Spiel zwischen ein und zwei Stunden dauert. Und ich erwarte, dass keine harten Stax gespielt werden, dass ich zumindest die Chance habe zu machen, was mein Deck machen will.
Das sind drei Sätze, die so ziemlich alles abdecken, was ich an Erwartungen an ein Commander-Spiel habe. Das ist natürlich eine sehr allgemeine Liste, die in speziellen Fällen geändert werden kann, wenn es sich so ergibt. Das ist meine Grunderwartung, mit der ich an jeden Tisch gehe. Das über mich zu wissen, macht es mir leichter zu erkennen, ob ich an einem Spiel Spaß haben werde. Das ist selbstverständlich keine Garanti. Manchmal macht ein Spiel keinen Spaß, auch wenn man vorher die Erwartungen der Spieler*innen abgefragt hat. Doch ist es das beste Tool, das ich für mich gefunden habe. Darum teile ich diese Erfahrung mit euch allen und lege jeder einzelnen ans Herz, sich mal mit den eigenen Erwartungen auseinanderzusetzen. Wenn nichts anderes, ist es ein lustiges Gedankenexperiment.
Kommentare
Hey Ove,
vielen lieben Dank für diesen tollen Blog Post!
Ich finde es wirklich sehr spannend, dass man das Thema Erwartungen immer wieder von neuem beleuchten kann und es schwer ist, das Thema abschließend zu beurteilen, oder besser gesagt: Zu lösen.
Beispielsweise auf der CommandCon Fürth habe ich einige Erzählungen gehört, wo Leute erstmal gestöhnt haben, als sie von ihrem letzten Spiel erzählt haben, weil irgendwelche Situationen entstanden sind, in denen die Leute aus den Spielen ausgelockt wurden 🙈
Deswegen gebe ich dir Recht, dass wenn man die Erwartungen vor dem Spiel gut abklären kann, die Spielerfahrung für alle erheblich verbessert wird 🙂
Liebe Grüße
Jakob
Hallo Jakob,
vielen Dank für den Kommentar und das du dir die Zeit genommen hast, den Artikel zu lesen. Ich bin auch immmer etwas erstaunt, wenn Leute von einigen Spielen erzählen. Es ist sehr schade, wenn man so viel Zeit investiert und am Ende keine Freude hatte. Ist das denn häufiger Vorgekommen?
Liebe Grüße,
Ove