Ich bin ein Mensch, der Dinge kompliziert macht. Das passiert nicht mit Absicht, jedenfalls meistens nicht, aber ich erwische mich immer wieder dabei. Meine Art zu denken ergibt für mich komplett Sinn, aber wenn ich meinen Gedankengang erklären soll, starten die Probleme.  Dann sind für mich logische Zusammenhänge für manche Menschen schwer nachvollziehbar. Meine Frau sagt dazu, dass mein Gehirn einfach anders funktioniert. Ob das stimmt, kann ich natürlich nicht sagen. Doch diese Eigenart spiegelt sich zum Teil auch in den Decks wider, die ich spiele. Ich bin Johnny durch und durch. Dachte ich zumindest. Doch vielleicht wurde vor kurzem mein innerer Timmy geweckt. 

Timmy vs Johnny

Für die Menschen, die mit den beiden Namen aus der Einleitung nichts anfangen können, hier eine kleine Erklärung. WotCs Game Design Team hat sich diese Namen ausgedacht, um einen bestimmten Typ Spieler*in zu beschreiben. Es gibt noch einige mehr, aber die prominentesten sind Timmy/ Tammy, Johnny/Jenny und Spike. Hier wird natürlich sehr grob gezeichnet, aber diese drei Namen stehen mittlerweile sinnbildlich für Archetypen, in die sich alle Spieler*innen einordnen lassen. Es folgt eine kurze Beschreibung, was sich hinter den Namen verbirgt.

Timmy/Tammy (Power Gamer)

Diese Spieler*innen sind an den großen, beeindruckenden Spielzügen interessiert. Große Kreaturen, große Hexereien und einfach große Effekte auf dem Board. Man muss am Ende des Zugs sehen können, dass auf dem Board etwas passiert ist, dann ist Tammy glücklich. Das Ziel ist zu zeigen, wie stark die Karten im eigenen Deck sind.

Johnny/Jenny (Combo Player)

Wo es Tammy darum geht, die großen geschütze aufzufahren, geht es Jenny darum zu zeigen, wie kreativ sie ist. Eine Combo aus zehn Karten, die am Ende das Spiel gewinnt, ist der Traum. Es geht weniger um die rohe Kraft der Karten, sondern mehr um die Synergie, die man aus ihnen heraus kitzeln kann. Eine Jenny möchte sich gerne schlau fühlen, wenn sie Magic spielt.

Spike

Ein Spike möchte gewinnen. Dazu ist jedes Mittel recht, was das Spiel zulässt. Tammy und Jenny wollen zwar auch gewinnen, aber bei ihnen ist der Weg mehr das Ziel. Bei Spike ist das Ziel das Ziel und darum versucht sie, es so schnell wie möglich zu erreichen. 

Das sind natürlich sehr grob gezeichnete Stereotypen und die Wahrheit ist, dass in jeder von uns alle drei Charakter stecken. Nur eben unterschiedlich stark ausgeprägt.Ich zum Beispiel sehe mich ganz klar als Johnny. Ich mag Decks, bei denen ich nicht gleich weiß, wie ich sie bauen soll, wenn ich eine Challenge bekomme und habe sehr viel Freude daran, beim Deckbau Probleme zu lösen. Ich hab schon das eine oder andere Mal geschrieben, dass ich ein kleine MtG Hipster bin und das ist bis heute so. Außerdem sehe ich Commander als eine Möglichkeit, meiner Kreativität Ausdruck zu verleihen. 

Außerdem, oder vielleicht besser, deshalb ist Blau meine liebste Farbe in Magic. Es ist leicht, sich in Blau schlau zu fühlen und deshalb ist auch Blau die Farbe der Karte Johnny, Combo Player. Man kann sehr reaktiv spielen, die Probleme lösen, die die anderen Spieler*innen verursachen und auf seinen Moment warten. Ich spiele nicht besonders aggressiv, obwohl es in den letzten Jahren auch besser geworden ist. In der Regel baue ich mich auf, um das Spiel dann in einem entscheidenden Moment zu gewinnen. Häufig mit einer Combo oder etwas, das einer Combo ziemlich ähnlich ist.

Multani

Doch das hat sich in den letzten Wochen ein wenig geändert. Denn ich glaube ich habe verstanden, was ein Timmy an Commander schätzt. Ich habe mich, wie schon vor einem halben Jahr, wieder bei der Budget Liga vom MTG Battlebox Discord Server angemeldet. Da läuft es so, dass man drei Random Commander ausgelost bekommt, einen aussucht und darum ein Deck baut. Das fertig Deck darf, abzüglich Basics und Commander, nicht mehr als 15 € kosten. Eine Challenge, wie sie für mich kaum reizvoller sein kann.

Im letzten Jahr habe ich ziemliches Glück mit meiner Commander Auswahl gehabt. Ich habe mich schließlich für Shadowheart, Dark Justiciar entschieden und im Laufe der Liga zwei verschiedene Decks gebaut. Das erste war mit Dungeon Delver als Background und hatte als Ziel, so schnell und so oft es geht durch die Under City zu laufen. Das ist mir auf Dauer aber ein bisschen zu anstrengend geworden, weshalb ich noch einmal auf den Master Chef gewechselt bin. In dem Deck ging es darum, den Friedhof so schnell es geht zu füllen und dann mit Jarad, Golgari Lich Lord und einem Golgari Grave-Troll zu gewinnen. Das zweite Deck habe ich auch noch und spiele es sehr regelmäßig.

Doch dieses Jahr war mir das Glück nicht so hold. Ich konnte mich zwischen Lovisa Coldeyes, Thelon of Havenwood und Multani, Yavimaya’s Avatar entscheiden. Die ersten beiden sind Typal-Commander, die sich in dem Budget praktisch alleine bauen. Das ist natürlich nicht so wild, aber holt mich als Deckbauer nicht besonders ab. Doch Multani wirkte auch nicht besonders interessant auf mich. Ein großer Baum, ein grünes Deck, das möglichst viele Länder spielen möchte und Landfall. So richtig spannend klingt das alles nicht.

Doch da ich keine echten Alternativen hatte, habe ich einen Versuch mit Multani gestartet. Ich habe alle Kreaturen, die mit der Anzahl der Länder auf dem Feld wachsen, ins Deck genommen. Beanstalk Giant nehme ich hier mal als Beispiel, doch es gibt noch einige mehr. Wenn ich schon ein Timmy Deck baue, dann wollte ich das auch richtig machen. Außerdem habe ich die vielen, günstigen Karten ins Deck gepackt, die mir für große Kreaturen Karten ziehen. Garruk’s Packleader, Garruk’s Uprising und Return of the Wildspeaker sind gute Beispiele.

Die ersten beiden Spiele habe ich mit dieser Version des Decks gespielt und ich hatte überraschend viel Spaß dabei. Das Deck war zwar ziemlich langsam, daran konnte man durchaus noch arbeiten, doch ansonsten lief es ziemlich gut. Das zweite Spiel war auch gegen “ganz normale” Decks ohne Budget Restriktionen und das habe ich sogar gewonnen. Was ich aus diesen Spielen mitgenommen habe ist, dass Multani mehr ist als nur ein Baum. Er ist sehr schnell so groß, dass er für Gegner*innen eine echte Gefahr wird. Und er lässt sich nur schwer beseitigen, weil man ihn einfach für zwei Mana aus dem Friedhof auf die Hand zurückholen kann.

Bin ich doch ein Timmy?

Ich habe zwei weitere Wochen an meinem Deck gebastelt und ich muss sagen, dass ich mich verliebt habe. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir ein so “langweiliger” Commander so gut gefällt. Große Kreaturen seitwärts zu drehen ist absolut nicht mein Stil, aber ich beginne langsam den Charm zu verstehen. Doch es sind eben nicht nur Multani, der mir Freude macht. Das Deck spielt neben den Staples auch viele Karten, die man sonst nicht so häufig in Commander Decks sieht. Karten, die einen großen Einfluss aufs Spiel haben können, die in der Regel aber zu teuer und ineffizient sind.

Ein Highlight ist Howl of the Night Pack. Für sieben Mana einen 2/2 Wolf für jeden Wald auf dem eigenen Board zu bekommen ist nicht so berauschend. Es sei denn, man hat 43 Wälder im Spiel, dann ist es ein großartiger Spell. Dasselbe gilt für Feed the Pack, bei dem man in der Regel schauen muss, dass man genug Kreaturen hat, die man opfern kann. Doch da man für Multani nie mehr als insgesamt acht Mana bezahlen muss, kann man damit jeden Zug einen ganzen Haufen Wölfe machen. Und wenn die ganzen 2/2 Kreaturen zu klein sind um durch die gegnerischen Boards zu kommen, kann man sie mit Multani und einem Dragon Throne of Tarkir zu einer tödlichen Bedrohung machen.

Eine weitere Karte, für die ich immer ein Zuhause gesucht habe, ist Ayula’s Influence. Mit Multani habe ich das perfekte Deck gefunden. Die Liste spielt insgesamt 50 Länder (49 Wälder und eine Myriad Landscape) und da kann es passieren, dass man bei einem großen Draw Spell sehr viele davon auf der Hand hat. Die kann man jetzt nutzen, um weitere Blocker zu generieren und um Multani noch größer werden zu lassen. Denn er kümmert sich nicht nur um die Länder auf dem Feld, sondern auch um die im Friedhof. Das Deck ist voll mit diesen kleinen, unauffälligen Synergien, die sich erst entfalten, wenn man es in Aktion sieht. 

Doch der größte Unterschied von Multani zu den meisten meiner anderen Decks ist einfach, dass das Deck vor allem Sorcery Speed funktioniert. Die Gegner*innen sehen die Gefahr kommen und haben in der Regel einen Zug Zeit, sich um mich zu kümmern. Doch selbst wenn sie das tun, lege ich im nächsten Zug wieder eine Gefahr aufs Board. Das Deck ist sehr resilient und hat Zugriff zu so vielen Ressourcen, dass mir bis jetzt noch nicht die Puste ausgegangen ist. Und selbst wenn ich keine Karten mehr auf der Hand habe, ist Multani selbst im Late Game die Win Con. 

Es fühlt sich erstaunlich befreiend an, wenn man sich keine Sorgen machen muss, ob das eigene Board überlebt. Wenn ich mit ihm enttappe, gibt es Timmy Beats. Und wenn nicht, baue ich mich eben wieder auf und bin im nächsten Zug so gefährlich wie vorher.  Durch Karten wie Shigeki,Jukai Visionary und Genesis habe ich zwei sehr verlässliche Wege, auf meinen Friedhof zuzugreifen. Ich habe also Optionen und kann langsam aber sicher meinen Weg zum Sieg beschreiten. Der lief bis jetzt immer über Combat Damage.

Einmal Timmy, immer Timmy?

Bedeutet das jetzt, dass ich nur noch Aggro Decks bauen werde? Nein, ich denke nicht. Ich denke aber, dass Multani mir den Weg in ein neues Kapitel meiner Commander Karriere gezeigt hat. Es muss nicht immer die komplexe und filigrane Rube Goldberg Machine sein, manchmal macht es auch einfach Spaß, einen großen schweren Hammer zu schwingen. Ich werde natürlich nicht aufhören Blau zu spielen, denn dafür habe ich zu viel Spaß am Johnny sein. Doch im Moment bin ich ein Timmy, denn alles, was ich will, ist rampen und viele, große Kreaturen spielen. Ich werde mal schauen, wie lange der Trend anhält und ob ich im Moment einfach die rosarote Timmy-Brille aufhabe…

Fall euch die Decklisten interessieren, hier einmal die Links dazu:

Multani, Yavimayas Avatar

Shadowheart /Dungeon Delver

Shadoheart/ Master Chef

Kommentare

  • Mario aka Lieblinhsspiel_1
    Antworten

    Sehr schöne Einblicke in deine Gedankengänge!
    Ich glaube viele können das nachvollziehen, die zwischen Decks wechseln. Ich liebe meine Tribals – und hier geht es zwar sehr oft um Combo-Wins, aber man kann auch gut Drauf hauen.
    Es ist schön, wenn man seine Strategien ab und an wechselt und den Reiz der anderen Spielertyen kennenlernt.

    Hab sehr gerne rein gelesen 🙂 Danke dir !

    • OveBoyer
      Antworten

      Vielen Dank für die lieben Worte. Ich spiele in der Regel auch Decks, die ein Hybrid aus Combat und Combo sind. Multani ist da eine echte Ausnahme und fühlt sich wahrscheinlich deshalb so erfrischend anders an 😁

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