Volrath oder Gerrard 11: King Making aus Versehen

Hallo zusammen und willkommen zurück. Heute heißt es wieder “Volrath oder Gerrard” und wir haben eine weitere Geschichte aus der Community. Falls ihr eure Geschichte auch von mir besprochen haben wollt, könnt ihr mir sie auf verschiedenen Wegen zukommen lassen. Der beste ist, mir eine Mail an volrathodergerrard@gmail.com zu schicken, oder mich auf diversen Social Media Kanälen anzuschreiben. Die heutige Geschichte kam als Mail zu mir und der Zeitpunkt ist ziemlich interessant. Aber dazu später mehr. Jetzt geht es erstmal um die Geschichte, in der jemand aus Versehen King Making betrieben hat.

Die Geschichte

Hallo Ove,

ich lese deinen Blog schon seit einer Weile und freue mich jedes Mal, wenn ein neuer “Volrath oder Gerrard” Artikel erscheint. Da dachte ich mir, dass es nur passend ist, dass ich dir auch von meinem vielleicht Volrath Moment erzähle.

Ich spiele regelmäßig in meinem LGS Commander und mache das auch schon eine ganze Weile. Ich glaube, es sind mittlerweile 4 Jahre oder so. Ist für die Geschichte aber auch eigentlich nicht wichtig. Ich wohne in einer mittelgroßen Stadt und unser LGS hat jeden Freitagnachmittag seine Friday Night Magic Veranstaltung (das “Night” passt also nicht so richtig). In der Regel kann man da so zwischen 16 und 24 Menschen erwarten, aber es sind eigentlich immer dieselben Leute, die sich dort treffen.

Die Geschichte spielt an einem Freitag vor drei Wochen, als ich mit Jan, Hein und Claas am Tisch saß. (Das sind natürlich nicht die echten Namen, denn ich weiß nicht, ob sie deinen Blog lesen und damit einverstanden wären.) Die drei spielen sehr häufig zusammen und das merkt man vor allem in der Dynamik zwischen den Spielern. Hein und Claas sind in der Regel ab Zug 5 damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekriegen und Jan baut seine Engine auf. Es kommt recht häufig vor, dass er und ich als letzte Spieler übrig sind. Die Decks am Tisch sind wie folgt: Jan spielte sein Lathrill Elfball Deck, Hein sein Henzie Blitz Deck, Claas sein Bello Enchantress Deck und ich mein The Wise Mothman Mill Deck. 

Die Decks haben schon häufiger gegeneinander gespielt und sind ungefähr auf demselben Power Level. Ne gute 6,5 würde ich dem ganzen geben, aber das ist eigentlich ja auch egal. Die ersten paar Züge waren recht uninteressant. Alle haben gerampt und Zug vier hatten alle Spieler ihren Commander online. Hein hat mit Henzie schon ein paar Fatties aufs Feld gepackt und ordentlich Druck gemacht, doch da Claas einen dieser Fatties geexilt hat, gingen die meisten Angriffe in seine Richtung. Jan hat in Ruhe sein Board aufgebaut und auch ich habe fleißig Rad Counter verteilt und alle Spieler gemillt. 

In Zug 9 war abzusehen, dass das Spiel sich dem Ende neigt. Ich war noch auf 12 Leben, Claas ist mittlerweile rausgeflogen, Jan hat sich gerade vom letzten Board Wipe erholt und mit Lathrill 11 Elfen auf dem Feld. Hein musste Henzi im Spiel drei mal casten, was all seine Kreaturen drei Mana günstiger macht, wenn er sie blitzt. Außerdem haben all Spieler mehr Rad Counter als Leben gehabt und mein Wise Mothman war eine 22/22 Kreatur. Als ich am Zug war hatte ich also die Wahl, wen von meinen Gegnern ich rausnehme. 

Jan und Hein haben keine Flieger im Spiel gehabt, doch Hein hatte nur seinen Commander im Spiel mit nur zwei Karten auf der Hand. Jan konnte mich in seinem Zug problemlos töten. Also habe ich Jan angegriffen. Der war davon überhaupt nicht begeistert und hat versucht mich davon zu überzeugen, dass Hein auf jeden Fall das Spiel gewinnt, wenn ich ihn jetzt rausnehme. Ich hab ihm erklärt, dass Hein dasselbe Argument für Jan benutzen könnte, ich mir aber größere Chancen gegen Hein ausrechne. Doch davon wollte Jan nichts hören und hat sich darüber aufgeregt, dass ich King Making betreiben würde. Dich hab darauf nichts weiter gesagt und Jan war raus aus dem Spiel.

Als Hein an der Reihe war, hat er mit Henzie erst Grothama  geblitzt und dann eine Rishkar’s Expertise gecastet. In seinen neuen 10 Karten waren genug Kreaturen, dass er mich locker überrennen konnte. Ich hatte zwar noch ein Remand auf der Hand, doch Grothama und Henzie hätten gereicht, um mich umzubringen. Darum hab ich es nicht gecastet. Als ich Hein die zum Sieg gratuliert habe ist Jan echt sauer geworden. Er hat seine Sachen zusammen gepackt und gesagt, dass er King Making verabscheut und keine Lust mehr hat an einem Tisch zu sitzen, an dem Leute sowas machen.

Jetzt meine Frage: Bin ich der Volrath, weil ich aus Versehen King Making betrieben habe? Ich freue mich von dir zu lesen,

XXX

Der erste Eindruck

Vielen Dank für deine Geschichte und die lieben Worte am Anfang. Neue Geschichten erhöhen auf jeden Fall die Chance, dass ich neue Artikel schreiben kann und deine Geschichte finde ich sehr interessant. King Making ist ein Thema, dass ich bis jetzt relativ wenig besprochen habe, weil es sich für mich recht schlecht greifen lässt. Es ist so ein geflügelter Begriff an EDH Tischen, doch meist wird er falsch verwendet. King Making bedeutet nämlich, dass man mit Absicht eine andere Spieler*in gewinnen lässt oder in eine Situation versetzt, in der sie gewinnen “muss”. 

Diese Situation kommen sehr viel häufiger vor, als man denken sollte. Meist reichen die Ressourcen um eine Spieler*in raus zu nehmen. Doch weniger Spieler*innen bedeutet auch, dass die verbleibenden Gegner*innen ihre Kräfte nicht mehr aufteilen müssen. Und das kann sehr gefährlich sein. Vor allem, wenn man die eigenen Kreaturen zum angreifen tappen musste. Um nicht die erste Person zu sein, die ihre Deckung öffnet anzugreifen, verfallen Spieler*innen in dieser Phase des Spiels in eine sehr defensive Haltung. Bis man eine Art Overrun oder eben eine Combo zieht.

Es ist also leicht für jede Person in dieser Situation, die aktive Spieler*in dem King Making zu bezichtigen. Denn vor der Aktion befand sich das Spiel in einem Gleichgewicht. Jetzt ist es verschoben und meist profitiert eine Gegner*in mehr von dieser Verschiebung als eine andere. Dann beschweren sich in der Regel die Menschen, die einen guten Weg aus dem Gleichgewicht gefunden hätten, wie zum Beispiel Jan mit seinen 11 Elfen.

Ich kann ihn sogar etwas verstehen, wenn er hier von King Making spricht. Für ihn sieht es so aus, als ob du ihn nur raus nimmst, weil du nicht vor ihm verlieren willst. Obwohl er da, bewusst oder nicht, sein Board komplett aus der Gleichung streicht. 11 Kreaturen sind schon ziemlich viel, alleine mit Lathrills aktivierter Fähigkeit bedeutet das 10 Schadenspunkte für alle Gegner*innen. Wenn du dann noch mehr als 12 Rad Counter hattest, sind die Chancen fast 100 %, dass du in deiner Main Phase das Spiel verlierst. Für dich ist also Jan die große Bedrohung.

Hein hat nichts auf dem Board, außer seinem Commander. Mit zwei Handkarten, bzw drei nach seinem Draw Step ist er natürlich auch gefährlich, aber die Gefahr ist eher potentieller Natur. Die Chance, dass er eine dicke Kreatur auf seiner Hand hat, ist nicht klein, denn darum sind viele Henzie Decks gebaut. Natürlich hättest du auch ihn angreifen können, aber das hätte an der Situation auf Jans Board absolut nichts geändert. Und das hätte sehr sicher bedeutet, dass Jan das Spiel gewinnt.

Das Fazit

In meinen Augen bist du nicht der Volrath und du war nicht mal ein King Maker. Du warst in einer ziemlich aussichtslosen Situation und hast den Weg gewählt, der dir die größten Chancen zu gewinnen präsentiert hat. Du hattest ja sogar eine Antwort auf der Hand, auch wenn Remand in der Situation wirklich nicht besonders hilfreich ist. Besonders bei einem Henzie, der alle Kreaturen mit Eile versieht und sie um drei generische Mana günstiger macht.

King Making und Spite Plays liegen dicht beieinander und das eine resultiert häufig aus dem anderen. Dazu habe ich schonmal was geschrieben, was ihr bei interesse hier nachlesen könnt. Hättest du Jan mit dem Motiv angegriffen, ihm den Sieg zu nehmen, dann wäre das Urteil hier deutlich anders ausgefallen. Du hast nicht mal nur angegriffen, weil du wolltest, dass irgendwas passiert. Du hast den Angriff mit dem Ziel gestartet, dass du noch einen weiteren Zug bekommst. Und in diesem Zug wären deine Chancen zu gewinnen sehr groß gewesen. Dass es anders gekommen ist und Hein die richtigen Karten auf der Hand hatte, um zu gewinnen ändert nichts an deinen Intentionen.

Vielen Dank nochmal für die Einsendung und falls ihn nun auch Lust bekommen habt eine Geschichte zu teilen, freue ich mich darüber. Erreichen könnt ihr mich auf Instagram, Bluesky unter @edhlove.bsky.social und über die Email Adresse volrathodergerrard@gmail.com. Bis zum nächsten Mal.