Das Thema ist so alt und aktuell wie eh und je. Mit der neuen 30th Anniversary Edition von WotC hat die Diskussion wieder an Relevanz gewonnen. Denn was ist besser geeignet, 30 Jahre Magic the Gathering zu feiern, als 4 Booster Packs mit Proxies für 1000 $ zu verkaufen? Natürlich heißen die Karten, die WotC verkauft, nicht Proxies. Denn wie sollten sie Proxies verkaufen, wo sie doch die Herausgeber des Spiels sind? Doch diese Karten haben einen anderen Kartenrücken und man darf sie in keinem Format spielen. Sie sind dazu da, das Gefühl zu simulieren, dass man vor 30 Jahren spürte, als man echte Beta-Packs aufgerissen hat.

Ich werde hier jetzt nicht weiter auf diesem Produkt herumhacken. Wer meine Meinung dazu nochmal nachlesen will, kann das gerne in meinem ArtikelWo ist die Grenze?” tun. Doch scheint mir, dass die 30th Anniversary Edition für WotC ein Schuss in den eigenen Fuß war. Doch darauf ich werde später noch zurück kommen.

Warum Proxies?

Für alle, die sich mit der gesamten Twitter und Social Media Debatte nicht so auskennen, hier eine kurze Zusammenfassung: Da Commander ein Fan-Format ist, sind einige Menschen dazu übergegangen, Karten, die sie für ihre Decks brauchen, selbst zu drucken. Wenn man damit ehrlich umgeht, dann nennt man so eine selbstgedruckte Karte eine Proxy, weil sie lediglich ein Platzhalter für eine “echte” Karte ist. 

In der Regel sind Proxies auch schnell als solche zu erkennen, denn alles andere wäre Fälschung und damit strafbar. Es gibt allerdings ziemliche Unterschiede in der Qualität. Manche drucken die Karten selbst aus, manche lassen sich Karten drucken und manche schreiben auf einen Zettel und packen den in eine Hülle vor eine “echte” Karte. Manche schreiben den Namen der Karte auf Basic Land und einige geben die Karten bei Künstler*innen in Auftrag, damit sie ein einzigartiges Artwork bekommen.

Es gibt viele Gründe, mit Proxies zu spielen. Einige wollen Karten erst testen, bevor sie das Geld in die Hand nehmen und sie kaufen. Manche haben ein Deck schon bestellt, aber die Playgroup trifft sich bevor die Karten angekommen sind. Manche haben zwar eine “echte” Karten, wollen sie aber in mehreren Decks spielen und nicht immer umsleeven müssen. Einige wollen sich durch Artworks von anderen Spieler*innen und Decks abheben. Und einige wollen einfach für Pappe nicht so viel Geld ausgeben.

Das sind jetzt nur die Hauptgründe, warum Leute mit Proxies spielen, es gibt noch einige weitere und Mischformen von den oben genannten. Doch gibt es in der Magic Community Menschen, die jede Form von Proxies ablehnen. Und auch dafür gibt es gute und andere Gründe. Wie man sich nun recht leicht denken kann, entsteht dadurch zwischen diesen beiden Gruppen eine Spannung, die sich nicht leicht überwinden lässt.

Warum keine Proxies?

Gründe, die gegen Proxies sprechen, kann man vor allem in zwei Lager teilen. Die einen haben damit Probleme, die direkten Einfluss auf das Spielerlebnis haben. Da geht es um die Erkennbarkeit von Karten, die deutlich leiden kann, wenn man nicht die originale Karte spielt. Es ist wesentlich schwieriger den Überblick zu behalten, wenn die Boards der Gegner*innen nur aus Post-its bestehen, auf denen Kartennamen abgebildet sind. In einem Format, das so komplex ist wie Commander, braucht man da keine zusätzliche Hürde. Daher verstehe ich Menschen, die ein Problem mit solchen Proxies haben.
Einige Menschen nutzen Proxies auch, um ihr Verständnis von Ästhetik auszudrücken. Doch wo ein Mensch schöne Formen sieht, gerade wenn es um Aktkunst geht, kann ein anderer sich dadurch gestört fühlen. Auch hier habe ich volles Verständnis, denn es ist wichtig, dass sich alle Menschen am Tisch wohl fühlen. Geschmäcker sind verschieden und vielleicht sollte man sich überlegen, ob ein Commander Tisch wirklich der richtige Ort ist, um seine Hentai Sammlung zu präsentieren.
Und dann gibt es noch die Menschen, die ein Problem mit Proxies haben, weil sie selbst keine spielen. Hier teilen sich die Personen auch in zwei Lager. Die einen machen sich Sorgen, dass wenn Menschen Proxies benutzen, diese nur noch mit den aller stärksten Karten spielen. Wenn einer es macht, müssen es alle machen, sonst gewinnt die Proxy-Spieler*in jedes Spiel. Hier denke ich, sollte die Diskussion nicht über Proxies oder nicht geführt werden, sondern über das Power Level, das an dem jeweiligen herrscht. Denn diese Karten existieren, ob man davon Proxies anfertigt oder nicht. Und da sie sich im Spiel genauso verhalten wie die “echten” Karten, sollte man sich eher darüber unterhalten, was für Karten man an seinem Tisch sehen möchte.
Zum Schluss haben wir noch die Menschen, die ein Problem damit haben, wenn Menschen nicht genau so viel Geld für ihre Sammlung ausgegeben haben wie sie selbst. Das ist ein Punkt, den ich nicht nachvollziehen kann. Ich denke, es sollte die Sache von jeder einzelnen Person sein, ob und wie viel Geld sie in dieses Hobby investiert. Wenn man Leute ausschließt, die nicht genug Geld haben, dann wird die Playerbase sehr viel kleiner.

Witzigerweise ist die “Proxy-Debatte” in cEDH kein echtes Thema. Dort sind Proxies sehr normal, denn ohne sie würden 95% der Spieler*innen das Format nicht spielen können. Darum ist es in cEDH sehr normal, dass die Menschen Proxies benutzen. Doch da ist man im Casual Commander sehr weit von entfernt. Und ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum.

Secret Lairs und Magic 30th Anniversary Edition

Kommen wir zurück zur 30th Anniversary Edition und auch zu Secret Lairs. Denn WotC hat durch diese beiden Produkte angefangen, viele Argumente gegen Proxies selbst aufzuweichen. Der erste Secret Lair Drop erschien Ende 2019 und war der erste von vielen. Mit dieser Serie hat WotC angefangen, Karten neu aufzulegen und direkt an Kund*innen zu verkaufen. Die Karten haben ein neues Artwork und können nur in einer sehr kurzen Zeitspanne auf einer Website bestellt werden.

Das ganze Thema Secret Lair kann fast alleine einen Artikel füllen, allerdings hat WotC mit deinem Produkt eins gezeigt: Ja, man darf die Kunst auf MtG Karten verändern, allerdings nur, wenn man dafür WotC bezahlt. Das ist natürlich richtig, ich will hier nicht sagen, dass WotC kein Geld verdienen soll. Denn ohne die Firma gäbe es auch kein Spiel. Ich bin froh, wenn es der Firma gut geht. Denn dann wird es dieses Spiel auch noch sehr viel länger geben. Doch WotC scheint erkannt zu haben, dass es das Bedürfnis nach Individualität besonders bei Commander Spieler*innen gibt. Doch haben sie damit selbst eins der Argumente gegen Proxies etwas ausgehebelt. Der Überblick ist auch mit allen legalen Karten so schwierig, dass ein neues Artwork mehr oder weniger keinen Unterschied macht.

Und jetzt kommen wir endlich zur 30th Anniversary Edition. Wie oben bereits beschrieben, werden hier Karten verkauft, die von Proxies defakto nicht zu unterscheiden sind. Und das zu einem gewaltigen Preis. Vier Booster für 1000 $, weil man die Chance auf einen nicht brauchbaren Black Lotus hat, liegt für den Großteil der Spieler*innen nicht im Bereich des Bezahlbaren. Das dieses Produkt auch noch das ist, was 30 Jahre Magic fiern soll, war für viele einfach zu viel. Es wird als etwas ganz besonderes verkauft und etwas so besonderes sollte auch einen besonderen Preis haben.
Ich stelle hier nicht die Kompetenz der BWLer*innen bei WotC in Frage, wahrscheinlich wird dieses Produkt ein voller Erfolg. Allerdings gibt es ein Limit, bis zu dem man seinen Spieler*inen vorgaukeln kann, dass die Karten, die man ihnen verkaufen will, etwas anderes sind als eine bedruckte Pappe. Und wenn man diese Illusion mit einer 30th Anniversary Edition mit Füßen tritt, kann es passieren, dass sich mehr und mehr Menschen für Proxies öffnen. 

Ich habe auf Twitter und Instagram sehr viele Kommentare von Menschen gesehen, die nicht nur enttäuscht, sondern auch wütend gewesen sind. Sie fühlen sich von WotC verraten, weil sie Teil des Grunds sind, dass die Firma da steht, wo sie im Moment steht. Ich kann diese Menschen verstehen, wobei ich selbst Pragmatiker bin, was solche Sachen angeht. Wenn WotC Leuten Proxies verkaufen will und die gekauft werden, habe ich damit nichts zu tun. Doch bestärkt mich das in meinem Glauben, dass Proxies nicht schlecht für Magic sein können und vielleicht wird dadurch diese endlose Diskussion endlich beigelegt. Und dann hat dieses Produkt mehr für mich als Commander Spieler getan, als jedes andere in den 30 Jahren zuvor. Vielleicht ist das ja auch das Geschenk, was WotC den Spieler*innen wirklich machen wollte.

Kommentare

  • Atalya, Samite Master  : Oves EDH Welt
    Antworten

    […] um eine kleine Challenge, die sich eine meiner Playgroups auferlegt hat. Diese Playgroup ist sehr Proxy freundlich und daher ist Budget normalerweise kein Thema bei uns für den Deckbau. Doch das hat auch […]

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