Ich hatte gestern wieder ein Treffen mit einer Playgroup, mit der ich mich nicht so regelmäßig treffe. Die Spiele sind jedes mal ziemlich witzig, aber auf einem höheren Power Level als ich normalerweise spiele. Doch gestern war irgendwie der Wurm drin. Wir haben in 6 Stunden zwar 4 Spiele geschafft, doch zwei davon waren innerhalb von 20 Minuten vorbei. Den Rest der Zeit haben zwei massive Grind Fests in Anspruch genommen, bei denen alle Decks ziemlich gefährlich gewesen sind und die ganze Zeit völlig offen war, welches Deck am Ende den Sieg davontragen wird. Denn alle Decks waren sehr gut im Nicht-Verlieren und so zogen sich die Spiele hin. Und darum schreibe ich hier heute diesen Artikel.

Setting the Scene

Ich bin ein Freund von Instant Speed. Das habe ich schon ein paar mal gesagt und dabei bleibe ich auch. Darum ist mein neues Lieblings Deck auch mein Yeva, Nature’s Herald Deck, in dem ich lediglich 8 Noncreature-Spells spiele. Grün ist normalerweise die Farbe, die am wenigsten mit ihren Gegner*innen interagiert und darum macht es mir Spaß, mit genau dieser Erwartung zu spielen. Man hat bei diesem Spiel-Stil einfach wesentlich mehr Möglichkeiten, seine Spells optimal zu platzieren. Ich caste nicht einfach alle Kreaturen in meinem Zug, sondern im jeweils idealen Moment. In der Regel im Endstep vor meinem Zug, aber wenn nötig auch schon früher. Dazu ist das Deck auf Controll ausgelegt. Ich spiele viele Kreaturen wie Reclamation Sage oder anderen ETBs
Doch hier liegt eines der Probleme, die gestern zu diesen sehr langen Spielen geführt haben. Alle Decks am Tisch waren sehr resilient. Ich habe mit Yeva gegen ein Kamal/ Tymna Deck, gegen ein Varina, Lich Queen Deck und ein Radha, Heir to Keld Deck gespielt. Das sind alles Decks gewesen, die viele Kreaturen aufs Board bringen, aber auch wissen, dass sie sich damit anfällig machen. Deshalb haben alle Decks viel Recursion gespielt, was auch nötig gewesen ist, weil alle Decks viel Interaction gespielt haben. Es gab glaube ich drei oder vier Board Wipes in der Runde, was schon ziemlich viel gewesen ist.

Wir sind dann an einen Punkt gekommen, wo es einen Mexican Standoff gegeben hat. Alle hatten Interaktion auf der Hand und niemand wollte so richtig Kreaturen spielen. D.h. alle Decks waren gut im Nicht-Verlieren. Letzten Endes konnte ich das Spiel damit beenden, dass ich eine Combo gespielt und all meine Gegner*innen gleichzeitig besiegt habe. Allerdings war das auch zu einem Zeitpunkt, als allen am Tisch die Puste ausgegangen ist und ich der einzige mit einem Board gewesen bin.

Reactive Decks

Und durch dieses Spiel habe ich Zweifel bekommen, ob Instant Speed immer das ist, was ich in einem Commander-Spiel will. Mir wird zwar immer klarer, dass ich im Herzen ein Controll Spieler bin und deshalb so gerne mit blauen Decks spiele. Man kann warten, was passiert, man bleibt am Ball und interagiert genau in dem Moment, wo man will. Doch wenn alle Decks am Tisch das genauso machen, werden die Decks ziemlich anstrengend. Da wünsche ich mir manchmal ein Deck, das keine Antworten liefert, sondern ein Deck, das die Fragen stellt. Nicht-Verlieren ist eben nicht dasselbe wie Gewinnen

Ich bin meine Decks durchgegangen und musste mit erschrecken feststellen, dass ich keine proaktiven Decks habe. All meine Decks sind reaktiv, halten sich lange zurück, sammeln Stärke, um dann in einem explosiven Zug das Spiel zu beenden. Die Gefahr eines Blowouts ist mir bei Decks, die ein großes Board brauchen, um zu gewinnen, viel zu groß. Das ist einer der Gründe, warum ich mein Imoti Deck nicht mehr gespielt habe. Ohne die Möglichkeit zu reagieren fühle ich mich unwohl und ausgeliefert. Wenn ich jedoch ein Evacuationoder einen Fog auf der Hand habe, fühle ich mich sehr entspannt. Ich bin ein Freund des Nicht-Verlierens. Doch ich bin auch ein Freund davon, wenn ein Spiel nicht zwei Stunden dauert.

Proaktive Decks

Mein Bruder ist in meiner anderen Playgroup immer derjenige, der die proaktiven Decks spielt und sich um Nicht-Verlieren die wenigsten Gedanken macht. Allerdings ist er auch sehr erfolgreich mit diesem Ansatz. Er hat ein Vorinclex, Monstrous Raider Deck, das zwar ein Planeswalker Subthema hat, doch vor allem ein +1/+1-Marken Deck ist. Und dieses Deck ist schnell. Wenn man nicht aufpasst, kann es passieren, dass man sich im Zug 6 oder 7 einer riesigen Armee aus 10/10 Beatern gegenübersieht und sich noch Sorgen um Nissa, Who Shakes the World und ihr Ultimate machen muss. Denn dieses Deck schwer sich wenig ums Nicht-Verlieren, es geht ums gewinnen. Doch wenn im falschen Moment ein Board Wipe gespielt wird, braucht er eine ganze Weile, um wieder auf die Beine zu kommen. Allerdings setzt das voraus, dass irgendjemand einen Board Wipe hat, den er im richtigen Moment spielen kann.

Und das ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es auch ohne Controll funktionieren kann. Natürlich spielt er auch Removal in seinem Deck, aber der beste Removal ist immer noch „Player Removal”.  Und das ist mit Vorinclex an der Spitze seiner Armee nicht so schwierig. Mit diesem Deck gibt es keine endlosen Games, denn Vorinclex hat auch noch Eile. Das bedeutet, er wird direkt zum Problem, wenn er das Spielfeld betritt. Und nach den beiden Spielen gestern kann ich sagen, dass das manchmal genau das Richtige ist.

Was lernen wir daraus?

Jede*r hat seinen präferierten Spielstil, daran wird auch mein heutiger Artikel nichts ändern. Und das will ich auch gar nicht, denn jeder Spielstil hat seine Berechtigung. Gäbe es nur proaktive Decks an einem Tisch, würden Spiele immer schneller werden und am Ende des Tages wäre jedes Deck ein Elfball Deck. Dadurch würde das Spiel viel von seiner Finesse verlieren, die es so interessant macht. Doch wenn man nur Controll Spieler*innen am Tisch sitzen hat, dann kommt man zu 3 Stunden spielen, bei denen jede*r Spieler*in auf einem Haufen Antworten sitzt, aber keinen Weg findet das Spiel zu beenden. Das wäre ebenfalls schlecht fürs Format, denn Commander Spiele müssen enden und dafür ist Nicht-Verlieren schlecht geeignet. Würden alle Spiele 3 Stunden dauern, wäre Commander ein Format ohne Spieler*innen.

Doch was ist in so einem Fall zu tun? Die Antwort darauf ist so kurz wie unbefriedigend: Gar nichts. Commander ist in seiner jetzigen Form so großartig, weil es so divers ist. Und mit den vielen neuen Spier*innen, die jedes Jahr dazu kommen, wird es hoffentlich nur diverser. Auch hier ist das Rule 0 Gespräch der richtige Weg um auszuleuchten, was man für ein Erlebnis in dem jeweiligen Pod erwarten kann. Und man erfährt auch vor allem, was die anderen Spieler*innen gar nicht sehen wollen. Man sollte sich also divers aufstellen, wenn man seine Decks baut und das ist ein Punkt, in dem bei mir auf jeden Fall noch Handlungsbedarf besteht. Das ist auf der einen Seite ernüchternd festzustellen, denn ich halte mich eigentlich für einen sehr diversen Deckbrewer. Doch auf der anderen Seite bedeutet das auch für mich, dass ich noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen bin, was Deckbau in Commander angeht. Und diese Perspektive gefällt mir sehr gut 🙂

Kommentare

  • Das erste Commander Deck 1.1 : edh.l.ove
    Antworten

    […] Hier hat sich auch wenig geändert. Man sollte sich schon während des Deckbaus überlegen, wie man ein Spiel beenden will. Hat man keine Finisher im Deck, kann es zu unglaublich langen und eintönigen Spielen kommen. Eine Person aus einer meiner Spielgruppen hat mir vor nicht all zu langer Zeit eröffnet, dass sie keine Finisher in ihre Decks packt und ich finde, das merkt man. Dazu habe ich aber auch einen Artikel verfasst. Wer sich dafür interessiert, kann hier weiterlesen. […]

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