Ich bin ein Freund von Commandern, die man nicht an jedem Tisch zu sehen bekommt. Ich versuche nicht bewusst hipstermäßig unterwegs zu sein, doch wenn es sich ergibt, bin ich es sehr gerne. Nadaar, Donal und Atalya haben allesamt nicht mehr als 640 Deck auf EDHREC. Und es sind alles Decks, die ich noch immer sehr gerne spiele. The Raven Man ist ein bisschen holprig gestartet, doch ist das auch ein Deck, das einige Rotationen überlebt hat. Und der Grund dafür ist vor allem, dass diese Commander unter dem Radar der meisten Spieler*innen fliegen. Sie sind an sich keine große Gefahr, weil sie eine interne Restriction mit sich bringen. Das unterscheidet sie von vielen Commandern, die in letzter Zeit gedruckt wurden. Denn wenn diese Commander liegen heißt es “Kill on sight”. Und darum soll es heute gehen.
Generisch stark ist das neue “cool”
WotC hat bei vielen der neuen Commandern offensichtlich Commander als Format im Blick gehabt. Die neue Elesh Norn, Mother of Machines ist ein ziemlich gutes Beispiel dafür. Sie ist ein Panharmonicon in der Command Zone, was für viele 60-Karten-Formate nicht besonders interessant ist. Doch in Commander ist sie damit von Anfang an eine der besten Commander für Blink Decks.
Ich könnte mein Nadaar Deck genauso lassen und nur den Commander gegen Elesh Norn austauschen und das Deck würde wahrscheinlich sehr viel besser werden. Nadaar gewinnt normalerweise, indem ich ein Panharmonicon auf dem Tisch liegen habe und eine Blink Loop mit Felidar Guardian und Restoration Angel starten kann. So kann ich mit Nadaars ETB so oft durch den Dungeon laufen, wie ich will oder wie ich muss, damit alle meine Gegner*innen ihr gesamtes Leben verlieren. Mit Elesh Norn in der Command Zone muss ich nicht mehr nach meinem Key Piece suchen. Ich kann einfach direkt eine Loop starten und auf irgendeine andere Art gewinnen.
Doch Elesh ist damit nicht alleine. In fast jedem Set gibt es eine oder mehrere Bomben, die man nicht auf dem Tisch liegen lassen darf, weil man ansonsten das Spiel verliert. Tergrid, God of Fright, Toxril, the Corrosive, Jin-Gitaxias, Progress Tyrant, diese Liste ließe sich beliebig weiterführen. Commander ist ein ziemlich starkes Format, in dem man lange nicht alle Karten spielen kann. Doch durch den Design Fokus von WotC haben es ein paar unglaublich starke Karten an unsere Tische geschafft. Und alle sind sie Kill on Sight Commander.
Das Problem mit Stärke
Ich will mich gar nicht darüber beschweren, dass WotC den Fokus auf Commander gelegt hat. Das hat ziemlich viele gute Seiten, die Vielzahl an Commandern ist nur eine davon. Ich mag es, wenn ich an einen Tisch komme und die Commander alle nicht kenne. Denn dadurch bleibt das Spiel für mich spannend und frisch. Und ich habe das Gefühl, dass ich als Spieler flexibler bleibe, wenn ich mich ständig auf neue Commander und Decks einstellen muss. Ich freue mich deshalb über die vielen neuen Legenden, weil es uns als Spieler*innen mehr Möglichkeiten gibt uns auszudrücken.
Doch wenn es einen zu starken Commander in einem bestimmten Archetyp gibt, sinkt die Diversität, auch wenn es theoretisch mehr Auswahl gibt. Die besten Beispiele hierfür sind wahrscheinlich The Ur-Dragon und Edgar Markov. Witzigerweise sind beide Commander zur selben Zeit gedruckt worden und der Grund, warum sie so beliebt sind, ist Eminence. Eminence ist eine Mechanik, die selbst dann funktioniert, wenn der Commander in der Command Zone liegt. Man startet sein Spiel also mit einem Emblem, mit dem die Gegner*innen nicht interagieren können. Darum sind diese beiden Commander auch weiterhin die Besten für Drachen oder eben Vampire. Es musste ein Commander wie Miirym, Sentinel Wyrm gedruckt werden, um dem Ur-Dragon gefährlich zu werden. Doch auch in diesem Fall gibt es einen Grund, warum man Miirym nicht einfach in den 99 vom Ur-Dragon spielen sollte.
Diese beiden sind die prominentesten Beispiele, doch auch hier ist die Liste ziemlich lang. Lathril, Blade of the Elves ist der beliebteste Golgari Elf Commander mit mehr als 14.000 Decks auf EDHREC. Dahinter kommt die Abomination of Llanowar mit 1500 Decks. Krenko, Mob Boss ist mit Abstand der beliebteste Goblin Commander mit 9.700 Decks. Der nächste Commander dahinter ist Muxus, Goblin Grandee mit knapp 900 Decks. Diversität sieht anders aus.
Stärker ≠ Besser
Aber ist Commander nicht ein Format, in dem jede Person spielen können soll, was sie will? Warum möchte ich denn, dass Menschen eine suboptimale Wahl treffen, was ihren Commander angeht? Die Antwort darauf ist, dass ich glaube, dass man so mehr Spaß am Spiel hat. Der Text heißt “Kill on Sight” und das ist genau das, was passiert, wenn man den stärksten Commander spielt, den man spielen kann.
Ich kenne diese Tendenzen von mir selbst. Wenn ein neues Set herausgebracht wird, schaue ich mir das ganze natürlich auch an. Und da fallen mir natürlich als erstes auch die super krassen Legenden ins Auge. Ich fand Tergrid super, als sie gespoilt wurde, genau wie Jin-Gitaxias oder Miirym. Ich hab für alle online eine Liste gebraut und mich dann dagegen entschieden, dieses Deck auch zu bauen. Bzw habe ich das Deck um Miirym fertig zuhause gehabt, einmal gespielt und dann wieder auseinandergebaut.
Denn ein Problem mit diesen Kill ond Sight Commandern ist, dass jedes Spiel in eine von zwei Richtungen läuft. Entweder, man behält seinen Commander auf dem Feld und überrennt alle seine Gegner*innen, oder man macht absolut gar nichts, weil der Commander removet wird. Meist läuft das erste Spiel super und man gewinnt, denn der Tisch weiß vielleicht noch nicht, wie gefährlich der Commander ist. Doch spätestens im zweiten Spiel werden sich alle Removal offen halten. Darum heißen die Commander auch Kill on Sight Commander.
Diese Erfahrung kann unglaublich frustrierend sein, vor allem, wenn man noch neu im Format ist. Es fällt nicht leicht nachzuvollziehen, dass einige Commander eben bedeuten, dass der Rest vom Tisch keinen Spaß hat. Man fühlt sich ziemlich zu unrecht getargetet, auch wenn man schon gezeigt hat, wozu das eigene Deck fähig ist. Meist braucht man ein wenig Erfahrung, bis man wirklich versteht, dass ein Commander ausreicht, um ein Fadenkreuz auf die Stirn gemalt zu bekommen. In so einem Fall ist mein Rat, jemanden aus der Playgroup zu bitten, das “problematische” Deck zu spielen. Denn dann lässt sich viel leichter nachvollziehen, wie sich die Gegner*innen normalerweise fühlen.
Janky is fun
Kill on sight Commander habe ich jetzt ziemlich ausführlich besprochen, doch was lässt sich dagegen tun? Die Antwort ist schlicht und ergreifend: Gar nichts. Das ist leider das Problem mit dieser Art von Commander. Sie kennen kein erbarmen mit dem Tisch und darum wird ihnen auch keins zu teil…
Man kann sich allerdings nach einem anderen Commander umschauen, der einen ähnlichen Effekt hat. Das ist leider nicht ganz so einfach, vor allem wenn man sich die neuen Commander anschaut. In Phyrexia, All will be One wird Mondrak, Glory Dominus gedruckt. Es ist eine Anointed Prozession in der Command Zone und diesen Effekt gab es so eben nur einmal in Mono Weiß. Allerdings gibt es andere coole, weiße Token Commander, die nicht sofort alle Alarmglocken läuten lassen. Darien, King of Kjeldor ist ziemlich stark und auch interessant zu bauen. Aber eben nicht das gleiche.
Ansonsten muss man einfach schauen, dass man damit lebt, dass man einen Kill on Sight Commander spielt. Es gibt natürlich auch viele Möglichkeiten in allen Farben, seinen Commander zu beschützen. Lightning Greaves und Swiftfoot Boots sind nicht umsonst die am meisten gespielten Equipments in Commander. Man sollte sich allerdings bewusst machen, dass man damit einen signifikanten Teil des Slots in seinem Deck verliert. Und man muss sich einfach klar machen, ob es einem das wert ist.
Ich für meinen Teil bin mit den Hipster Commandern sehr zufrieden und kann allen nur empfehlen, sich mal außerhalb der Top 100 umzuschauen. Besonders Commander Legends: Battle for Baldur’s Gate hat einige sehr interessante Optionen, die meiner Meinung nach noch viel zu wenig erforscht und beachtet sind.
Kommentare